Ankunftszentrum für Flüchtlinge auf dem Areal des ehemaligen Patrick Henry Village (PHV)
in Heidelberg

2024
Anerkennung

Arbeitsgemeinschaft Michel + Wolf Architekten
mit Kaiser + Juritza + Partner Landschaftsarchitekten PartGmbB

LEITIDEE

Ziel des Entwurfs ist der Erhalt des Baumbestands und die Verknüpfung des Teilquartiers mit der Umgebungsbebauung. Das zu entwickelnde Ankunftzentrum als Teilquartier des PHV wird in zwei Bereiche geteilt, den Verfahrens- und den Unterkunftsbereich. Im Osten, durch die Straße vom Unterbringungsbereich getrennt, liegt der Verfahrensbereich, der sich funktional, strukturell und durch seine Größe gut ins Nutzungsband C einfügt. Die Baukörper des Unterkunftsbereichs im Westen vermitteln mit ihrer Körnung und Höhenstaffelung zwischen den Offiziersvillen im Norden und den großmaßstäblichen Gebäuden im Süden. Das Quartier öffnet sich durch vor- und zurückspringende Baukörper und angelegte Fugen zur Umgebung.

Durch bewusste und sensible Platzierung der Baukörper am nördlichen Rand, sowie im südlichen Bereich des Grundstücks, ist der Erhalt des Baumbestands möglich. Die Unterkunftsgebäude gliedern sich in zwei Grundtypen. Im Norden zitieren kurze Zeilen den Rhythmus der Offiziersvillen. Im Süden gliedern Winkel im Zusammenspiel mit den Bestandsbäumen das Quartier und schaffen so differenzierte Freibereiche und Plätze unterschiedlicher Größe. Die Ost-West orientierten Gebäudeteile werden aufgeständert um eine Übersichtlichkeit und Einsichtsmöglichkeiten im Unterkunftsbereich zu erzielen. So ergibt sich Erdgeschossig eine rein Nord-Süd ausgerichtete Zeilenbebauung, welche Blickachsen durch das gesamte Quartier zulassen. Zwischen den nördlichen Zeilen und den südlichen Winkeln öffnet sich eine parkähnliche Struktur mit dichtem Baumbestand und hoher Aufenthaltsqualität.

Im Osten wird das Quartier durch den ersten Baustein des Verfahrensbereichs gefasst. Der Baukörper des Ankunftzentrums wurde geteilt. Im Westen befinden sich die, der Unterbringung zuzuordnenden, Funktionen. Im Osten die Funktionen des Verfahrenbereichs. Der baukörperliche Bezug ist über die Straße hinweg spürbar, ohne das dahinterliegende Wohngebiet auszugrenzen. Eine zweigeschossige Brücke verbindet nicht nur die beiden Bauteile miteinander, sie ermöglicht gleichfalls, den Übergang zwischen Unterkunft und Verfahren, ohne den Sicherheitsbereich zu verlassen.
Die zueinander versetzten Bausteine spannen einen Platz auf, an dem im Südwesten der Haupteingang des Ankunftzentrums und im Südosten der Eingang zum Unterbringungsbereich liegt. Der direkte Bezug zum Quartier wird durch die hier angeordneten Begegnungsflächen noch verstärkt.

FUNKTION

Der Busbahnhof liegt, von der Logistikstraße aus zugänglich, vollständig unter dem Gebäude. So kann eine einfache Sicherung des Ankunfts- und Transferbereichs durch Umbauung erfolgen. Bus- und Fußgängerverkehr kreuzen sich zu keiner Zeit. Der zugehörige Parkplatz liegt gegenüber auf der anderen Seite der Logistikstraße und ist multifunktional nutzbar. Die dem Verfahrensbereich zugeordneten Räume befinden sich im östlichen Gebäudeteil. Die zur Unterbringung gehörenden Funktionen sind im westlichen Gebäudeteil auf dem Grundstück des Unterbringungsbereichs untergebracht. Allgemeine Versorgungseinrichtungen der Alltagsbetreuung, Freizeiträume der Alltagsstrukturierung sowie die Kinder- und Familienbetreuung sind in den Erdgeschosszonen der Unterkunftsgebäude an den Kontaktstellen zu Erschließungsbereichen angeordnet. Die Wohnbereiche sind für Kohorten mit bis maximal 25 Personen konzipiert. Die Anordnung und Anzahl der Zimmergrößen ist aufgrund des durchgehenden Achsrasters flexibel. Es besteht weiterhin die Möglichkeit einzelne Zimmer durch Verbindungstüren zu koppeln.


KONSTRUKTION

Das Ankunftszentrum wird als Holz-Beton-Hybridbau vorgeschlagen. Ein regelmäßiges Achsraster und mittlere Spannweiten in den Obergeschossen ermöglichen eine wirtschaftliche Realisierung. Der Gebäudesockel besteht im EG und 1.OG aus einem Stahlbetonskelettbau. Soweit möglich wird Recyclingbeton in Kombination mit CEM III eingesetzt. Die Unterkunftsgebäude werden als vorgefertigte Holz-Raummodule geplant. Die Erdgeschosse werden in Stahlbeton-Skelettbauweise geplant.


ÖKOLOGIE UND NACHHALTIGKEIT

Bei Hybridmodulen können die Baumaterialien gemäß den Anforderungen ausgewählt werden. Hierdurch reduziert sich der Materialverbrauch. Durch die Vorfertigung der Raummodule im Werk reduzieren sich außerdem der Material- und Energieverbrauch, sowie das Müllaufkommen vor Ort erheblich. Die Bauzeit und damit auch die Lärm- und Schmutzbelastung werden auf ein Minimum reduziert.
Die Gebäude können mit geringem Aufwand umgenutzt und erweitert werden, was sie flexibel für sich ändernde Nutzungsanforderungen macht. Des Weiteren können die Gebäude abgebaut und an neuen Standorten wiederverwendet werden. Zudem können die einzelnen Module komplett rückgebaut, sortenrein getrennt und recycelt werden.
Zwischen den Gebäuden und außerhalb der Einfriedung werden Retentionsflächen ausgebildet um das anfallende Dach- und Oberflächenwasser dezentral auf dem Grundstück zu entwässern. Die unberührten Grünflächen außerhalb der Kernzone können für den Arten- und Naturschutz genutzt werden.


AUSSENANLAGEN

Der Busbahnhof befindet sich westlich der Logistikstraße und schließt direkt an das Ankunftsgebäude an. Durch die besondere Anordnung der Haltestege ist der Weg vom Ein- und Aussteigen bis ins Gebäude ohne Kreuzung des Verkehrs möglich. Falls mehrere Busse gleichzeitig ankommen oder eine Wartezeit nötig wird, ist dies auf dem Busparkplatz auf der gegenüberliegenden Seite der Logistikstraße möglich. Diese befestigte Fläche kann bei Bedarf multifunktional, bspw. für Feste oder Flohmärkte genutzt werden.
Die zwei Gebäudeteile des Ankunftsgebäudes werden optisch über einen einheitlichen Pflasterbelag miteinander verbunden. Die so entstehende ‚Shared Space‘ Situation sorgt für Aufmerksamkeit bei den Autofahrern und entschleunigt den Verkehr. Südlich des Gebäudes entsteht ein Quartiersplatz, welcher den Eingangsbereich zum Unterbringungsbereichs markiert und durch seine zentrale Lage eine gute Anbindung in Richtung BAMF, Zentrum, Haltestelle und Sportgelände bietet.
Eine zentrale Zufahrt in Verbindung mit der Pforte führt zunächst auf den Ankunftsplatz, von welchem aus der Quartiersweg als Rundweg die Erschließung für Feuerwehr, Anlieferung und Entsorgung sichert. Der große Vorplatz mit dem sich anschließenden breit ausgebauten ‚Quartiersweg‘ bieten ein Leitsystem und erleichtern Neuankömmlingen die Orientierung. Die beiden Teilbereiche des Unterkunftsbereichs werden durch Fußwege im Quartierspark verwoben. Bei der Anordnung der Gebäude und befestigten Flächen wurde dem Erhalt des Baumbestands eine erhöhte Priorität beigemessen. Im zentralen Grünzug werden Spiel-, Freizeit- und Ruhezonen angeordnet. Die Bereiche zwischen den Gebäuden werden für Wohnhöfe als Treffpunkte, Außenbereiche für die Kinderbetreuung sowie Flächen für die Regenwasserretention vorgehalten. Die Neuordnung der Erdgeschosszonen erlaubt eine gute Übersichtlichkeit und verbessert die Einsichtsmöglichkeiten vom Quartiersweg auf das gesamte Gelände. Die neu gewonnen überdachten und beschatteten Flächen können je nach Nutzungsform des Gebäudes als Spiel- oder Ruhezonen ausgeführt werden. Durch den Einsatz von wasserdurchlässigen Belägen können hierbei noch weitere Flächen entsiegelt und für die Versickerung von anfallendem Regenwasser genutzt werden. Zusätzlich erfolgt die Versickerung des Wassers von Dach- und befestigten Flächen dezentral in den Grünflächen und den dafür angelegten Retentionsflächen zwischen den Gebäuden. Die Feuerwehrzufahrt erfolgt von Westen, hier befinden sich auch die Garagen und Stellflächen für die Fahrzeuge der Hausmeister.
Die das Gelände umschließende Einfriedung wird teilweise zwischen den Gebäuden zurückversetzt, von Sträuchern und Gehölzen begleitet oder durch Veränderung der Topografie entschärft. Ein Übersteigschutz sowie eine engmaschige Ausführung des Zauns verhindern das Eindringen oder Durchreichen von gefährlichen Gegenständen. Die Spiel- und Freizeitflächen befinden sich nördlich des Ankunftszentrums und sind somit für das gesamte Quartier nutzbar. Zwischen Sportplatz und dem Unterkunftsbereich befindet sich als verbindendes Element ein Quartierstreff mit Spielplatz, Sitzgelegenheiten und Grillplatz. Die unberührten Grünflächen außerhalb der Kernzone können für den Arten- und Naturschutz genutzt werden.


ENERGIEKONZEPT

Über das neu entstehende wechselwarme Anergienetz der Stadtwerke hinaus, ist es Ziel, den Energieverbrauch des Quartiers weitestgehend mit dem, durch die PV-Anlage produzierten Stroms, zu decken. Wünschenswert wäre darüber hinaus erzeugten Strom zuerst in den Energiespeicher zu laden und anschließend die Wärmepumpen in den überhöhten Betrieb zu fahren, um thermische Energie im Puffer zu speichern. Überschüssiger Strom wird dann ins öffentliche Netz eingespeist. Bei Zusatzbedarf wird Strom aus dem Netz bezogen. Zusätzlich besteht die Möglichkeit die PV-Anlagen um eine Solarthermieanlage zu erweitern, um eine direkte Warmwasserbereitung zu erhalten. Alle Dächer sollen unter den Anlagen extensiv begrünt werden.


BRANDSCHUTZ

Alle Gebäude verfügen über zwei baulich voneinander unabhängige Rettungswege und sind durch Einsatzfahrzeuge ohne Gefährdung von Fußgängern anfahrbar. Die Fluchtwege sind übersichtlich und intuitiv auffindbar. Die Mensa und die Ankunfts- und Verlegungsflächen erhalten aufgrund der Größe und Nutzung als Versammlungsstätte zusätzlich eine flächendeckende Brandmeldeanlage und ausreichend dimensionierte Fluchtwegbreiten. Um die große Verbindung zwischen Ausgabe und Speiseraum branschutztechnisch zu kompensieren, werden die Oberflächen in der Ausgabe nichtbrennbar ausgeführt und der Bereich ebenfalls flächendeckend Überwacht. Aufgrund der Versammlungsstätten im EG und 1.OG werden die tragende Bauteile F90 und die Außenwände nichtbrennbar ausgeführt. Die Trennung in den Bereichen Ankunft und Verlegung, zwischen dem 1.+2.OG werden im Bereich der Deckenöffnung für die Rolltreppen durch Brandschutzvorhänge geteilt.

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